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diverCITYLAB – THEATER-, FILM- und PERFORMANCElabor
Das kolonialistische Weltbild der Europäer (hier wurde bewusst nicht gegendert) welches sich in der Kunst widerspiegelt, wird gegenwärtig immer häufiger kritisiert und von verschiedenen Gruppen angegriffen. Rassistische und sexistische Darstellungen werden diskutiert und angeklagt. Künstler*innen müssen sich gegen Sexismus- und Rassismusvorwürfe wehren.
Im Gegenzug dazu wird statistisch belegbar benachteiligten Künstler*innen Identitätspolitik und unsolidarisches Denken vorgeworfen, wenn sie kritisieren, dass die Hoheitsmacht in der Kunst weiße Männer innehaben. Eine pluralistische Gesellschaft wird als Gegenentwurf zu einer solidarischen gezeichnet. Dabei sind rein weiße Ensembles, wie sie in der saturierten Theaterwelt gängig sind, in Sachen Rassismuskritik nicht glaubwürdig. Ein Ensemble muss ähnlich divers wie die Gesellschaft sein um von der gesamten Gesellschaft als relevant wahrgenommen zu werden.
Nachdem die Europäer jahrhundertelang im Kunstkanon die Deutungshoheit hatten, nehmen wir uns die Freiheit Weltliteratur neu zu definieren. Wir gestatten uns die Frechheit, das Tabu des Fremden und Exotischen offenzulegen und den Voyeurismus in der Kunst zu entlarven.
Den Vorwurf der kulturellen Aneignung lassen wir uns mit Freuden gefallen. Es ist das Wesen der darstellenden Künste, die sich empathisch auf die Geschichte anderer einzulassen. Es ist unsere Pflicht möglichst unterschiedliche Figuren und Perspektiven zu zeigen. Es geht nicht darum, wer das Recht hat welche Geschichte zu erzählen, sondern sich selbst als Geschichtenerzähler*in transparent zur Disposition zu stellen und so eine Debatte zu ermöglichen.
In dieser Debatte suchen wir den lebendigen Diskurs, anstatt Verbote anzustreben. Wir führen eine kritische Auseinandersetzung mit heiklen Themen an Stelle von Selbstzensur. Dabei muss auch die eigene political Correctness in Frage gestellt werden. Wir verstehen Kunst als einen Ort, an dem ein Weltbild verhandelt wird. Kunst zu machen ist ein politischer Akt. Teilhabe am Kunstschaffen ist Demokratie. Die Metamorphose der Gesellschaft darf nicht nur abgebildet oder thematisiert werden, sie muss im Theater die Zukunft des 21. Jahrhunderts gestalten.
Theater muss als öffentlicher Raum gedacht werden. Das bedeutet, dass eine gesamtgesellschaftliche künstlerische Vision von Theater notwendig ist, an der selbstverständlich neue Stimmen und ein neues Publikum aktiv teilnehmen. Indem sich ein diverses Publikum auf den Bühnen repräsentiert sieht, materialisiert sich eine wünschenswerte Zukunft. Wir denken Theater als einen Schutzraum, in dem das „Andere“ zwar diskutiert wird, jedoch keine Ausschlussmechanismen in Gang setzt. Welche Hintergründe haben die Menschen die im Theater gemeinsam Geschichten erzählen und so Geschichte schreiben? Indem wir auf der Bühne eine diskriminierungsfreie Welt behaupten, schaffen wir eine neue Realität.
Es braucht eine Dekolonisierung, um die Kunst von ihrem kolonialistischen Denken zu befreien. Bilder beeinflussen unser Denken. Häufig gesehene Bilder reproduzieren wir in Gedanken, ohne sie in Kontext zu setzen. So entsteht durch Sehgewohnheiten eine Normierung, die wir nicht mehr hinterfragen, auch wenn sie mit der Realität, die uns umgibt, nur wenig zu tun hat. Wir sollten uns aber daran gewöhnen, dass wir gemeinsam im 21. Jahrhundert leben und dem Theater die Macht zugestehen, eine Welt zu erdenken, in der wir leben wollen. Insbesondere dann, wenn die Welt außerhalb des Theaters nicht die Welt ist, in der wir leben wollen.
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